Unser im November 2019 auf Initiative von Repräsentant*innen von Kairos Europa, Pax Christi und Pro Ökumene konstituiertes Bündnis basisökumenischer Gruppen, Organisationen und Netze aus dem gesamten Bundesgebiet betrachtet die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe 2022 als eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Prioritäten des konziliaren Prozesses gegenseitiger Verpflichtung auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, der 1983 vom ÖRK auf den Weg gebracht worden war, wieder stärker in den Blickpunkt von – vor allem kirchlicher – Öffentlichkeit wie sozialen Bewegungen zu rücken.
Dabei teilen wir die Überzeugung, dass das Engagement unserer ökumenischen Vernetzung „Casa Común 2022“ bereits im Vorfeld der Vollversammlung wie bei dieser selbst zuvorderst darauf gerichtet sein sollte, dass sich die Kirchen – in Deutschland wie weltweit – sowohl aus theologisch-ekklesiologischen wie aus politischen Gründen künftig (wieder) viel intensiver und vor allem entschiedener mit den Überlebensfragen von Menschheit und Schöpfung befassen. Und in Anbetracht der zahlreichen globalen, sich dramatisch zuspitzenden Krisenherde dürfen diese sich in dieser Auseinandersetzung keinesfalls auf Forderungen nach kosmetischen Reformen des strukturell zerstörerischen globalen ökonomischen Systems beschränken. Vielmehr geht es darum, aus einer die sozio-ökonomischen und gesellschaftlichen Machtstrukturen radikal in Frage stellenden Perspektive Allianzen zu bilden und in ernsthaftem Dialog mit jüngeren Generationen gemeinsam Position zu beziehen und zu handeln. Wie Teile der Klimabewegung sagen: „system change, not climate change!“ Wirtschaftliche und Klima-Gerechtigkeit für alle Menschen werden sich nach derzeitigem Ermessen nur durch eine fundamentale sozial-ökologische Transformation erreichen lassen. Und dies erfordert letztlich eine Abkehr von den unser Wirtschaften bislang dominierenden kapitalistischen Triebfedern Rendite und Wachstum und die Hinwendung zu einer das Gemeinwohl und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt stellenden Ökonomie.
In diesem Sinne – und zudem ermutigt durch die positive Reaktion des geschäftsführenden ÖRK-Generalsekretärs Prof. Dr. Ioan Sauca, der unsere erste öffentliche Wortmeldung (Offener Brief an die weltweite ökumenische Bewegung vom April 2020) als „konstruktive Kritik“ sowie „wichtigen und wertvollen Beitrag zur ökumenischen Bewegung“ begrüßte, der „hoffentlich zu tiefgreifenderen Diskussionen und genaueren Analysen führen“ werde – laden wir die ökumenische Bewegung, vor allem unsere Schwestern und Brüder im globalen Süden, ein, im Vorfeld und während des ÖRK-Treffens gemeinsam mit uns aktiv zu werden.
In enger Abstimmung mit Kooperationspartner*innen aus Kirchen und ökumenischen Organisationen möchte unsere Vernetzungsinitiative ein Konzept zur Umsetzung bringen, das unter dem Titel „Casa Común 2022“ folgende Absichten für den Zeitraum der Vollversammlung (VV) in Karlsruhe verfolgt:
• Ort der Begegnung (Kaffeehaus-Charakter) zu sein – für und zwischen folgenden Zielgruppen:
◦ Basisökumene sowie soziale Bewegungen aus globalem Süden und Norden;
◦ VV-Delegierte und sonstige VV-Teilnehmende bzw. -Beobachter*innen;
◦ VV-Besucher*innen, Ortsgemeinde(n) in Karlsruhe/badische Landeskirche, interessierte Öffentlichkeit;
◦ Journalist*innen ökumenischer Medien sowie der allgemeinen Medienlandschaft.
• Ort des – vertiefenden – Austauschs (Seminar- und Lehrhaus-Charakter) zu sein – für und zwischen o.g. Zielgruppen – über prioritäre, in Gänze noch zu identifizierende Themen des konziliaren Prozesses, etwa in Form von:
◦ von der Basisökumene durchgeführten Veranstaltungen zu postkolonialen, feministischen, ökologisch sensiblen oder rassismuskritischen Theorien und (Befreiungs-)Theologien;
◦ von Basisökumene und sozialen Bewegungen angebotenen Veranstaltungen (Seminare, Workshops, Diskussionspodien usw.) zu prioritären Themen der Casa Común jenseits des VV-Geschehens – ggf. mit einem täglichen Themenschwerpunkt;
◦ Veranstaltungen mit ausdrücklichem Bezug zur VV und unter Einbeziehung von ÖRK-Delegierten (Fortsetzung/Vertiefung von thematischen Plenarsitzungen, ökumenischen Konversationen usw. – ggf. ebenfalls mit einem täglichen Themenschwerpunkt);
◦ informellen Begegnungen und Gesprächen von Gruppen, die mit Bezug auf das VV-Geschehen Texte erarbeiten und/oder Aktionen vorbereiten wollen.
• Ort der Spiritualität des Widerstands (Andachts- und Bethaus-Charakter) zu sein – etwa in Form von:
◦ politischen Morgen-, Tages- und Nachtgebeten;
◦ Bibelarbeiten, Andachten und Meditationen;
◦ AGAPE-Gottesdiensten.
• Ort der Kulturen der Welt (Kunst- und Festhaus-Charakter) zu sein – etwa in Form von:
◦ thematischen Ausstellungen;
◦ Konzerten;
◦ Theater;
◦ künstlerischen „Happenings“.
All dies all wollen wir bereits im Vorfeld der VV gemeinsam entwickeln. In Form von virtuellen Konferenzen und Strategieworkshops (weltweit wie entlang von Sprachgruppen) wollen wir zu Fragen arbeiten wie: Was sollen die prioritären Themen für eine prophetische ökumenische Bewegung sein, die die Zeichen der Zeit angemessen in den Blick nimmt? Wie kann es gelingen, unsere Stimme auf dem ÖRK-Treffen hörbar zu machen?
Unsere die offizielle ökumenische Agenda teils bewusst aufgreifende, teils aber auch bewusst über diese hinausgehende Themensetzung soll unterstreichen, dass wir unser Casa Común-Konzept ausdrücklich auch als ein die ÖRK-Vollversammlung in einem kritisch-konstruktivem Sinne ergänzendes Angebot an Kirchen in der Bundesrepublik und weltweit verstehen, es zugleich aber auch als eine erkennbare Alternative akzentuieren wollen und werden, die das „Klima“ des ökumenischen Großereignisses hoffentlich in einem positiven Sinne zu beleben vermag.
Hierzu hoffen wir auf Ihre und eure Beteiligung sowie Kreativität, um mit uns gemeinsam den Geist der Ökumene neu mit Leben zu füllen – für ein Leben in Fülle für alle!